Die Augenmuskeln müssen Unglaubliches leisten – nicht nur im Fitnessclub. Es wird ihnen keine Pause gegönnt, keine Möglichkeit, abzuschalten und sich zu erholen. Sie werden permanent gefordert, sind trainiert wie kein anderer Muskel. Nicht mal bei der Fraktion der Steroid- und Anabolika Machos, die mir (und anderen Frauen) harte, sehr, sehr männliche Blicke zuwerfen, begegne ich ihnen im Gang oder verspritzen sie ihren Schweiß in diese gnadenlose Welt, direkt auf der Maschine neben mir. Testosteron liegt in der Luft, wenn ein dezentes Achselschweiß-Sniffing die kurze Zeitspanne zwischen der letzten Wiederholung und dem Griff zum Handy ausfüllt. Einer raunte mir mit rauer Stimme zu: „Good Body, Girl!“. Das schmeichelt meinem Ego – oder eher doch nicht? Es kommt ja nicht nur darauf an, was gesagt wird, sondern irgendwie auch wer es sagt. Da hilft es auch nicht, die Botschaft dezent im Gewand einer Fremdsprache zu verpacken. Sicherheitshalber wechsle ich die Maschine. Die im Nebenraum ist weit genug entfernt, um mein Sicherheitsbedürfnis zu befriedigen.
Überhaupt: Männer!
Deren Augenmuskeln werden wesentlich intensiver trainiert als die der Mädels. Checken sie doch nicht nur in kürzesten Abständen aktuelle Messages ab, sondern müssen sie obendrein noch ihre Umgebung im Blick behalten. Der klassische „ich check jetzt mal relaxed Brust-Po-Beine-Blick“. Oder war’s Beine-Brust-Po? Die Reihenfolge hat etwas mit der persönlichen Präferenz des Betrachters zu tun. Auffällig ist allerdings, wie stiefmütterlich das Gesicht behandelt wird – es erscheint im Ranking der (männlichen) Betrachter in aller Regel unverhältnismäßig weit hinten. Aber daran sind wir natürlich selbst schuld. Was zwängen wir uns auch in figurbetonende Lycrateile? Schlabberklamotten schützen besser vor übermäßigem Augentraining der anderen.
Fazit:
es ist hart, im Fitnessstudio zu trainieren. Wer dort nicht mindestens ein Mal pro Minute sein Handy abcheckt beweist, dass er Old School ist, unter einer untertrainierten Augenmuskulatur leidet und keine Freunde hat. Dass dafür mehr Zeit für das eigentliche Training bleibt, spielt irgendwie eine untergeordnete Rolle.