RUNNING LIFE:
Wie motivierst du dich zum Laufen?
Bernhard G.:
Um überhaupt laufen zu gehen, brauche ich gar keine Motivation. Ich mache es einfach, ähnlich wie man Zähne putzen geht - es gehört sich einfach so. Dazu brauche ich auch keine Mitläufer. Um allerdings nicht vom Laufband abzusteigen, bedarf es schon einer gewissen Motivation. Dafür habe ich ein paar einfache Psycho-Tricks.
Ich laufe jeden Tag mit fast identischer Geschwindigkeit. Wenn ich dann müde werde, sage ich mir:
"Gestern hast du es bei der gleichen Geschwindigkeit durchgezogen, vorgestern auch; es gibt also keinen Grund, heute schlapp zu machen. Dein Körper schafft es, auch wenn dein Geist nachgeben will."
Für mich ist ein Riesenvorteil des Laufbands die Möglichkeit, eine konstante Geschwindigkeit vorzugeben bzw. einzuhalten.
Ein anderer Trick ist: ich verbiete mir, den Ausschaltknopf zu drücken, bevor die vorgegebene Zeit um ist. So lange bleibt der Ausschaltknopf tabu! Das ist ebenfalls ein Riesenvorteil des Laufbands: das Band läuft einfach immer weiter und ich bin gezwungen, mitzulaufen. Hier lassen sich keine Verschnaufpausen einlegen, wenn ich mich an meine selbst auferlegte Regel halte.
Und wenn es hart auf hart kommt, wenn ich keine Kraft mehr zu haben glaube, dann denke ich daran, wie viele Menschen auf der Welt mit mir gerade tauschen möchten. Dann sehe ich die Lächerlichkeit des Luxusproblems, ein wenig erschöpft zu sein, und ich laufe noch ein paar weitere Kilometer.
RUNNING LIFE:
Du erwähntest, jeden Tag zu laufen?
Bernhard G.:
Das ist mein erklärtes Ziel.
Frei nach dem Motto: "du musst besessen werden und besessen bleiben!"
Natürlich ist es nicht jeden Tag möglich. Zum Beispiel bei Krankheit, bei berufsbedingten Reisen oder Urlaub.
Ich bin eine Art Sammler: andere sammeln Schlümpfe oder Luxusautos - ich sammle Kilometer und Läufe. Die Sammellust ist ja ungeheuer motivierend. Das wird jeder bestätigen, dem gerade noch der letzte Papaschlumpf fehlt oder dem der letzte Bugatti vor der Nase weggeschnappt wird. Erst die Vollständigkeit macht den Erfolg einer Sammlung aus.
RUNNING LIFE:
Wird es dir nicht langweilig auf dem Laufband?
Bernhard G.:
Langweilig? Ganz im Gegenteil! Ich bin jemand, der sich eigentlich unter keinen Umständen langweilt. Die Strecken- und Geschwindigkeitsanzeige auf dem Laufband sind mir schon Unterhaltung genug... Im Ernst: ich war schon immer an Literatur interessiert, hatte aber nie richtig Zeit, viel zu lesen. Auf dem Laufband kann ich beides verbinden: "L&L": Laufen und Literatur. Ich höre eine Buchlesung nach der anderen. So konnte ich zig Bücher genießen, die ich ohne das Laufband nie kennengelernt hätte. Ich benutze Kopfhörer mit eingebautem mp3-Player.
Anfangs habe ich beim Laufen Fernsehen geschaut, das hat sich jedoch nicht bewährt: erstens weil mir beim Schwitzen immer die Brille nass wurde und zweitens, weil durch das zielgerichtete Gucken auf den Bildschirm eine bestimmte Kopfhaltung erzwungen wird. Beim Laufen (nun ohne die Brille) schaue ich aus den Fenstern. In meinem Laufraum befinden sich Panoramafenster mit einem schönen Blick auf bewaldete Berge.
RUNNING LIFE:
Panoramafenster? Wo steht denn dein Laufband?
Bernhard G.:
Vor ein paar Jahren hat mein Arbeitgeber im neuen Bürogebäude einen Fitnessraum mit Laufband eingerichtet. Das war ein großes Glück für mich, denn so kann ich zu jeder Tages- und Abendzeit trainieren gehen. Ich teile mir meine Arbeitszeit frei ein - natürlich ist die Laufzeit meine Freizeit. Während meine Kollegen in der Mittagspause essen gehen, gehe ich laufen. Ein weiteres Glück für mich ist, dass sich außer mir fast niemand aus der Firma für das Laufband interessiert. So habe ich das Laufband nur für mich. In meiner Firma gibt es viele aktive Läufer, die aber ausschließlich draußen laufen.