Was kann passieren, welche Gefahren bestehen?
Zunehmend versuchen auch die Medien die Benutzer für den verantwortungsbewussten Umgang mit ihren persönlichen Daten zu sensibilisieren. Gestern (am 09.03.2015) hat sich einmal mehr die Sendung Wiso des Themas angenommen. Das brachte uns von RUNNING LIFE zugleich auf die Idee, diesen Artikel zum Thema zu verfassen, denn beim Wiso-Beitrag ging es um das Lauftraining mit Smartphone und App.
Der Wiso-Beitrag kann hier eingesehen werden. Allerdings sind die Informationen in der Textfassung deutlich knapper gehalten, als im Fernsehbeitrag. Im wesentlichen ging es darum, dass es in vielen Ländern bereits Gang und Gebe ist, die Höhe des Krankenkassenbeitrags danach zu berechnen, wie gesund und sportlich aktiv das Mitglied ist. Wer regelmäßig laufen geht und etwas für seine Gesundheit tut, der wird mit einem niedrigeren Beitrag belohnt. Wer hingegen sportlich inaktiv ist, der wird mit einem höheren Krankenkassenbeitrag bestraft. Was für passionierte Läufer auf den ersten Blick vielleicht gut und gerecht klingt im Sinne von „wer etwas für seine Gesundheit tut, soll auch dafür belohnt werden!“, hat auf den zweiten Blick seine Tücken.
Das System der Krankenkassen in Deutschland basiert auf Solidarität. Dabei tragen die gesunden Menschen ihren Teil dazu bei, die Kranken zu unterstützen. Und das ist nach Meinung vieler Gesundheitsexperten auch gut so. Denn auch gesunde Menschen können chronisch krank werden oder einen Unfall haben, der ihnen künftig sportliche Tätigkeit unmöglich macht. Wenn das beispielsweise einem engagierten Läufer passiert, so stünde er plötzlich auf der anderen Seite der Bewertungsskala der Krankenkassen. Dann wäre er sicherlich froh, die erforderlichen Therapien bezahlt zu bekommen und nicht noch zusätzlich über einen hohen Krankenkassenbeitrag für seine sportliche Inaktivität abgestraft zu werden.
Läufer, die ihre Laufdaten per App an die Krankenkassen übermitteln, könnten sich zwar über niedrigere Beitragssätze freuen. Bezahlen müssen das aber auch all diejenigen, die ihre persönlichen Daten nicht herausrücken möchten oder aus gesundheitlichen Gründen nicht mithalten können. Beispielsweise auch ältere oder gebrechliche Menschen. In den USA, in England und in Südafrika ist ein solches interaktives Krankenkassenmodell bereits realisiert worden. Hingegen ist dieses bonusbasierte System in Deutschland (noch) Zukunftsmusik. Aber erste private Krankenkassen haben bereits ein reges Interesse daran signalisiert. „Die Generali-Versicherung denkt […] laut über einen Vital-Tarif auch hierzulande nach“, wusste Wiso zu berichten. Wiso hat sich um ein Interview mit der Generali-Versicherung zu diesem Thema bemüht, allerdings keins erhalten.
Die Barmer GEK sowie AOK Nordost bieten gemäß Wiso im App-Store bereits Fitness-Apps an, fordern aber noch keine Daten von ihren Mitgliedern ab.
Welche Möglichkeiten solche Apps noch alles bieten, dazu wurde im TV-Beitrag ein Mann interviewt, der jahrelang in den USA gelebt hat und sich über seine hohen Krankenkassenbeiträge gewundert hatte. Sie waren viel höher als die seiner Kollegen. Auf Nachfrage hatte er erfahren, dass er nicht bzw. zu wenig in sozialen Netzwerken wie Facebook und co. aktiv wäre. Da die Versicherung somit zu wenig über ihn wusste, galt er als Risiko-Versicherter.
Er berichtetet zudem in welcher Form Mitarbeiter-Apps die Unternehmensangestellten zu gläsernen Benutzer machen. So wären in seinem Unternehmen die Toiletten mit speziellen Analysegeräten ausgestattet gewesen, die eine Harnstoffprobe analysieren können. Die Identifikation erfolgt über die Smartphone-App der Angestellten. So wäre es möglich, beispielsweise die Schwangerschaft einer Mitarbeiterin festzustellen, bevor sie es überhaupt selbst weiß, und ihr so rechtzeitig vorher kündigen zu können. Es ist anzunehmen, dass auch diese Mitarbeiterin vermutlich nichts zu verbergen hat. Außer vielleicht den „Fehler“ gemacht zu haben, schwanger zu werden. Wenn Arbeitgeber ihre Angestellten aber erst einmal dazu zwingen können, solche Apps benutzen zu müssen, bleibt ihnen kaum noch eine Möglichkeit, sich dagegen zu wehren.
Bei der Recherche haben wir keine Belege gefunden, ob das zuvor geschilderte Szenario bereits wirklich Realität ist. Technisch machbar dürfte es aber wohl sein oder in nicht allzu ferner Zukunft möglich werden. Wenn Smartphone-Apps erst einmal unsere persönlichen Daten und Informationen zum medizinischen Gesundheitszustand an Krankenkassen übermitteln, ist es schnell vorbei mit der solidarischen Gemeinschaft. Du bist wochenlang nicht gelaufen, weil dich Achillessehnenbeschwerden daran gehindert haben? Und – zack! – der Beitrag wird hochgestuft. Der unregelmäßige Puls lässt auf mögliche Herzrhythmusstörungen schließen? Kein Problem – das lässt sich über einen höheren Beitrag regeln, schließlich steigt das Risiko für die Krankenversicherung. 42,195 Kilometer Laufstrecke lassen eine Marathonteilnahme vermuten? Risiko-Versicherter! Denn einen Marathon vorzubereiten ist zwar gesund, eine solche Strecke zu laufen aber weniger. Und wenn es erst einmal die Möglichkeit geben sollte, weitere Erkrankungen wie Diabetes über die Hautspannung (oder auf welchem Wege auch immer) ermitteln zu können, kennt die Krankenversicherung die Diagnose vielleicht schon vor der betroffenen Person. Wie sagte Shakespeare so treffend in „der Sturm“?:
„Schöne neue Welt, die solche Bürger trägt!“