Joggen mit Smartphone, mp3 und Apps

Früher hieß es: „ich gehe Joggen / Laufen“.
Heute läuft es oft nicht, sondern geht. Und zwar um Lifestyle.

Neulich war ich in Frankfurt Laufen. Ihr wisst schon: die Stadt des schnellen Geldes und der Finanzhaie. Rasch bemerkte ich, dass hier etwas grundsätzlich anders lief als in meiner Heimatstadt. Auch dort nimmt die Zahl der Läufer, die sich nicht mehr ohne ihr Smartphone aus dem Haus trauen, zu. Schließlich könnten sie sich verlaufen und dann ohne GPS nicht mehr nach Hause finden. Außerdem lässt sich nur so vorab die Außentemperatur checken und ob die Sonne scheint, oder es womöglich regnet.
Solche Smartphone-Runner sind aber bisher in meiner Heimatstadt in der Minderheit. „Noch!“ muss diesem Satz wohl hinzugefügt werden.

In Frankfurt aber, dieser Stadt des modernen Kapitals, schienen circa dreiviertel der Läufer mit Smartphone zu joggen. Die meisten „joggten“ tatsächlich. Das Wort kommt aus dem Englischen und bedeutet so viel wie „trotten“, müsst ihr wissen. Darunter wird begriffsmäßig eher ein langsamer Dauerlauf verstanden, während fortgeschrittene Läufer meist soooolch einen Hals bekommen, werden sie gefragt, ob sie „denn heute schon joggen waren?“.

Ich überholte die Meute lässig, einen nach dem anderen – meist vorschriftswidrig auf der rechten Seite. Das klingt jetzt sicherlich ganz furchtbar arrogant, aber die Jungs und Mädels gingen mir gehörig auf die Nüsse. Die Schuld musste eindeutig bei mir liegen. Ich hatte keinen guten Tag, trotz des spätsommerlichen schönen Wetters und der Milde des Sonnenscheins. Beides keine Selbstverständlichkeit, so Anfang Oktober.

Das Laufshirt von Asics, die Laufhose auch, Kompressionsstrümpfe von CEP, die Schuhe nicht unter 200 erwerbbar, das galaktische Smartphone am Oberarm befestigt – wofür braucht es da noch den Garmin-Forerunner am Handgelenk? Die komplette Verpackung auf zwei Beinen strauchelte irgendwo zwischen 8er- und 9er-Schnitt über den Acker (oder war’s der Untermainkai?). Meine Freunde! Was habe ich heute bloß? Und, zack, eingesammelt. Arriverderci, Goodbye, auf Wiedersehen!
Das Männlein war wohl zu sehr von der Musik abgelenkt. Vielleicht wurde es auch wegen des Refrains depressiv: „You give Running a bad name!“ ist kein guter Stimmungsmacher. Möglicher Weise gab es auch eine kurze Sendepause, die die Lauf-App nutzte, um die aktuelle Statusmeldung durchzugeben: „Du bist 4.2195 Kilometer gelaufen und hast dafür 37 Minuten und 948 Millisekunden benötigt – schääääääm dich!“

Ich bin Dilettant. Mir fehlt das Wissen darüber, was sich mit einem Smartphone beim Laufen noch alles veranstalten lässt außer Musik zu hören, die Zeit zu messen, die Streckenlänge, Pulswerte, Schrittlänge, wie oft geatmet, in der Nase gebohrt, die Stirn gerunzelt und gezwinkert wurde. Bald kann so ein Teil alles selbständig machen – auch Joggen, während sein Besitzer zu Hause auf dem Sofa regeneriert. Wahrscheinlich ist es schon heute möglich, alles damit zu schaffen – außer zu fliegen; und natürlich zu telefonieren.

Früher war selbstverständlich alles besser. Jetzt klinge ich schon wie mein Opa! Zumindest war es einfacher. Aber klar: Läufer sind keine Fußballer. Fußballer benötigen beim Spiel kein Smartphone am Arm. Andere Menschen erfassen akribisch alle Daten. Schweinsteiger ist im Finale der Fußball WM 2014 in 120 Minuten 15,3 Kilometer gelaufen. Dieser Wert beinhaltet Rundungsdifferenzen. Tatsächlich waren es 15,3456874924 Kilometer. Dabei hatte er 118 Ballkontakte, hat sich 83 Mal über die Stirn gewischt, 19 Mal an die Wade gegriffen, und er hat exakt null Tore geschossen. 

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