Reisen in China
Wer gerne ansprechend und komfortabel reisen und doch zugleich auf eine Pauschalreise verzichten möchte, wird in China vermutlich nicht auf seine Kosten kommen. Eine Reise über Land ist gleich in mehrfacher Hinsicht nichts für schwache Nerven:
In der Regel müssen weite Strecken zurückgelegt werden, deren Monotonie beim Blick aus dem Zug- oder Busfenster keinesfalls unterbrochen wird.
Im Gegenteil:
Meist ist die Aussicht wenig dazu angetan, Begeisterung auszulösen.
Ein müdes, ein erschöpftes Land blickt einem traurig entgegen. Oft ist hier weniger der Weg das Ziel, als das Ziel das Ziel an sich.
Das Reisevorhaben gewinnt auch nicht durch die Schwierigkeiten, die es mit sich bringt, überhaupt Zug- oder Busfahrscheine zu erkämpfen.
Schafft man es dennoch und übernachtet auch im Zug, so wird man frühmorgens zu den Klängen der Nationalhymne geweckt, die von allen Seiten aus Lautsprechern auf einen einwirkt. Anschließend wird klar und deutlich verkündet, warum China das beste Land der Welt ist, warum es unwiderlegbare Gründe dafür gibt, mit Stolz Chinese zu sein (etc. etc.), ungefähr eine halbe Stunde lang, lang genug, um sich bereits als halber Chinese zu fühlen (der sein Vaterland innig liebt – wie nicht oft genug betont werden kann).
Einige Anekdoten aus dem Zug
Da es bei uns weitgehend ereignislos vor sich ging und lediglich der gute Service und die Toiletten erwähnenswert sind, möchte ich auf die Erzählung einer argentinischen Freundin zurückgreifen. Bitte verklage mich nicht, Monica!
Vorab noch einige Worte zum Service und den Toiletten...
Der Service
Man kann beispielsweise warme Mahlzeiten erstehen, was bei zum Teil tagelanger Zugfahrt sehr erfreulich ist und auch hochmoderne DVD-Player ausleihen, deren Vielzahl an Spielfilmen die Zeit schneller vergehen lässt.
Zu den Toiletten
Es handelt sich um Stehklos, bei denen man einige Stunden nach Abfahrt sehr genau schauen muss, wohin man seine Füße setzt, um nicht versehentlich in die Sch... zu treten. Damit man im unruhig ruckelnden Zug nicht das Gleichgewicht verliert, ist praktischer Weise gleich vor der Nase eine Haltestange angebracht, so dass die eigene Haltung jedem professionellen Windsurfer ein anerkennendes Nicken abringen würde.
Doch nun zu Monikas Erzählungen
Monica spricht und versteht kein chinesisch, was die versammelten Chinesen in ihrem Abteil keineswegs entmutigte. Während der 58-stündigen Zugfahrt von Nanjing ins Tibetische Lhasa wurde sie pausenlos bequatscht. Ihre Hilferufe („Ich verstehe euch doch nicht!“) blieben ungehört. Die einzige Möglichkeit, dem Rummel zu entkommen, war, zu schlafen. Kaum öffnete sie die Augen, schon sah sie wie jeder der fünf anderen Bewohner des Schlafabteils sie anstarrte. Von gegenüber, von oben, von unten... fünf Augenpaare waren fasziniert ihrem Schlaf gefolgt. Die Vermutung bleibt unbewiesen – aber womöglich haben sie nicht einmal geblinzelt.
Einmal erwachte sie aus dem Schlummer, weil sie dachte, ein Kind hätte geweint. Irgendwie war das Geräusch – zudem im Halbschlaf – merkwürdig und nicht genau einzuordnen. Das Rätsel löste sich, als sie ein Schaf blökend den Gang entlang flitzen sah (die chinesische Variante des Lauftrainings). Von dort aus war es nur noch ein kleiner Schritt bis zu den Hühnern, die kopfüber (obschon geköpft) vor dem Klo auf einen Nagel gehängt worden waren.