Laufen und Umweltsituation

Es gibt keine Umwelt in China. Zumindest aber ist sie schwer zu finden. Vor längerer Zeit, Mitte der 90er Jahre, habe ich einmal Folgendes gelesen:
„Wer in New York eine Stunde joggen geht, atmet das Äquivalent von 3 Zigaretten ein.“

Laufen in China - die Umwelt

Ich habe New York bereist und selbst die Luft dieser dicht befahrenen Mega-Metropole wirkt im Vergleich zu den Städten Chinas geradezu jungfräulich. Nach diesen Maßstäben raucht man während einer Stunde Dauerlaufs in Shanghai oder Xi’an oder Hefei oder irgendeiner anderen Stadt deutlich mehr – denn all diese Städte bestechen nicht nur durch ihren quirligen Verkehr sondern auch durch die (ungefilterten) Industrieschloten im unmittelbaren Umkreis.
Es wäre nicht erstaunlich, würde ein findiger Wissenschaftler mit modernen Messmethoden ermitteln, dass eine Stunde Dauerlauf in Shanghai dem Äquivalent von 5 oder 6 Zigaretten entspricht.

Einmal ganz offen:
Trotz der aktuellen Feinstaubdiskussion und dem Willen der EU, die CO2-Emmission bis zum Jahre 2020 um weitere 20% zu reduzieren, wurde mir erst in China klar, wie gut wir es hierzulande noch immer haben.

Wer nun dem Irrglaube anheim fällt, um das ländliche China wäre es besser bestellt, wird bitter enttäuscht. Irgendwo müssen all die Güter („Made in China“) produziert werden. Und so erstrecken sich die Industrieanlagen quer über das Land der Mitte. Amerikanische und Europäische Firmen wollen seit vielen Jahren gut – und vor allem billig – produzieren. In Ländern, wo die Löhne niedrig sind und Umweltauflagen praktisch nicht existieren. Zugleich aber entwickelte sich China seit 1990 rasant zur fünft größten Industrienation der Welt mit einem geschätzten Bruttoinlandsprodukt von 8,2 Billionen Dollar (im Jahre 2012).

Diese Beträge kamen bisher praktisch nicht dem Umweltschutz und nur zu einem kleineren Teil der „normalen“ Bevölkerung zugute (also Menschen, die nicht zu den ca. 70 Millionen Mitgliedern der Regierungspartei gehören).
Noch während des Großen Sprunges nach vorn rief Mao zu einem Krieg gegen die Natur auf, um Rohstoffquellen zu erobern. In dieser Zeit wurden zahlreiche Wälder abgeholzt, um für die Stahlerzeugung genug Holz zur Verfügung zu haben.
Je nach Studie befinden sich von den zehn schmutzigsten Städten der Welt acht bis neun im Land der Mitte.

Erst Anfang März 2007 wurde von der Volkspartei nicht nur eine Erhöhung des Wehretats auf rund 35 Milliarden EUR beschlossen, sondern außerdem – endlich – die Absicht kund getan, sein Augenmerk verstärkt auf den Umweltschutz zu richten.
Dies ist auch dringend nötig, möchte man auf lange Sicht vermeiden, einen signifikanten Bevölkerungsanteil aus gesundheitlichen Gründen (Lungenkrebs u.ä.) zu verlieren. Viele Chinesen tragen auf der Straße einen Mundschutz und ähneln, rein optisch, Chirurgen während einer Operation.
Selten ist der Himmel über China blau. Selbst bei wolkenlosem Himmel schwebt stets ein Schleier zwischen uns und dem Himmel, der sich wahlweise durch ein nebliges Antlitz oder eine bräunliche Verfärbung bemerkbar macht. Eine müde Sonne blinzelt von ihrem erschöpften Zenit und manchmal, nur manchmal, überkommt einen die Befürchtung, sie könnte einfach so hinabstürzen.
Einfach so, ganz kommentarlos.

Ich glaube nicht, dass man jemandem, der dieses Phänomen nicht selbst erlebt hat, verdeutlichen kann, wie es ist, wenn man sich bereits nach wenigen Tagen im „Land der aufgehenden Sonne“ (sic!) spätestens jede Stunde kräftig räuspern muss, um seine Atemwege von einem sich ansammelnden Schleimklumpen zu befreien.

 

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